§ 5: Hilfearten
§ 6: Ermittlungshilfe
§ 7: Jugendhilfe im Strafverfahren
§ 8: Frühhilfe
§ 9: Haftentscheidungshilfe
§ 10: Täter –Opfer-Ausgleich
§ 11: Hilfe bei der Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit
§ 12: Bewährungshilfe
§ 13: Führungsaufsicht
§ 14: Hilfe zur Entlassung bei Freiheitsentzug
§ 15: Hilfe nach Entlassung aus Freiheitsentzug
§ 16: Hilfe im Vollstreckungsverfahren
§ 17: Hilfe zur Vorbereitung von Gnadenentscheidungen
§ 18: Hilfe für Angehörige
Dritter Abschnitt: Gestaltungsgrundsätze
§ 19: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
§ 20: Durchgehende soziale Hilfe
§ 21: Wiedergutmachung
§ 22: Ehrenamtliche Mitarbeit
§ 23: Mitwirkung der Gesellschaft
Vierter Abschnitt: Durchführung der Hilfen
§ 24: Integrierte Resozialisierung
§ 25: Hilfeplan
§ 26: Übergangsmanagement, Eingliederungsplan
§ 27: Beendigung der Hilfe
§ 28: Nachgehende Hilfe, Krisenintervention
§ 29: Dokumentation und Evaluation
§ 30: Gesamtplanung
Fünfter Abschnitt: Träger, Organisation, Ausstattung
§ 31: Soziale Dienste der Justiz
§ 32: Öffentliche Träger der Jugend- und Sozialhilfe
§ 33: Freie Träger der Straffälligenhilfe
§ 34: Weitere Leistungserbringer
§ 35: Landesamt Ambulante Straffälligenhilfe
§ 36: Regionale Resozialisierungszentren
§ 37: Ausstattung
Sechster Abschnitt: Datenschutz
§ 38: Verarbeitung personenbezogener Daten
Siebter Abschnitt: Rechtsbehelfe
§ 39: Anregungen und Gegenvorstellungen
§ 40: Gerichtliche Entscheidung
Achter Abschnitt: Landesbeirat, Resozialisierungsfonds, Kriminologische Forschung
§ 41: Landesbeirat für ambulante und stationäre Resozialisierung
§ 42: Resozialisierungsfonds
§ 43: Kriminologische Forschung
Neunter Abschnitt: Schlussvorschriften
§§ 44 ff………
Erster Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen
§ 1: Anwendungsbereich
Dieses Gesetz regelt die Hilfen zur Wiedereingliederung Straffälliger in die Gesellschaft (Resozialisierung) durch nicht-freiheitsentziehende Maßnahmen.
§ 2: Ziel
(1) Die Hilfen nach diesem Gesetz haben das Ziel, die Resozialisierung der Probanden zu fördern und Straftaten zu verhüten. Zugleich sollen Beiträge zur allgemeinen und zur kommunalen Kriminalprävention geleistet werden.
(2) Die Hilfen sollen die Probanden befähigen, ein Leben ohne Straftaten zu führen, sich mit der Tat auseinanderzusetzen und den entstandenen Schaden wiedergutzumachen.
(3) Die Hilfen sollen dazu beitragen, Haft zu vermeiden oder zu verkürzen.
§ 3 Komplexleistung Resozialisierung
(1) Resozialisierung erfordert wegen der spezifischen Problemlagen der Probanden und der erforderlichen Vielfalt der Hilfen der jeweils regional zuständigen hilfeleistenden Organisationen die Zusammenführung der Einzelleistungen in eine Komplexleistung zur interdisziplinär abgestimmten Deckung des individuellen Hilfebedarfs der Probanden.
(2) Erforderlich ist die Koordination und Vernetzung der verschiedenen leistungserbringenden öffentlichen und freien Träger und die Kooperation der beteiligten Fachkräfte.
(3) In Leistungsvereinbarungen ist zu regeln, dass jeweils ein Träger auf der Grundlage eines individuellen Hilfeplans den gesamten Leistungsprozess koordiniert und die anderen Träger mit ihren Leistungsanteilen mitwirken.
§ 4: Begriffsbestimmung
Im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Probanden: jugendliche, heranwachsende oder erwachsene Beschuldigte, Angeschuldigte, Angeklagte, Verurteilte, Gefangene, Untergebrachte oder Entlassene, die eine Hilfe nach diesem Gesetz erhalten oder beantragen;
2. Fachkräfte: Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Diplompädagogen, Diplompsychologen oder andere Professionen mit vergleichbaren Abschlüssen
Zweiter Abschnitt: Hilfen zur Resozialisierung
§ 5: Hilfearten
Hilfen zur Resozialisierung sind namentlich:
1. Ermittlungshilfe
2. Jugendhilfe im Strafverfahren
3. Frühhilfe
4. Haftentscheidungshilfe
5. Täter-Opfer-Ausgleich
6. Hilfe bei der Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit
7. Bewährungshilfe
8. Führungsaufsicht
9. Hilfe zur Entlassung bei Freiheitsentzug
10. Hilfe nach Entlassung aus Freiheitsentzug
11. Hilfe im Vollstreckungsverfahren
12. Hilfe zur Vorbereitung von Gnadenentscheidungen
13. Hilfe für Angehörige
§ 6: Ermittlungshilfe
(1) Ermittlungshilfe ist auf der Grundlage von § 160 Abs. 3 StPO zu leisten.
(2) Ermittlungshilfe ist insbesondere dann zu leisten, wenn die Tat oder ihre Umstände auf besondere persönliche oder soziale Schwierigkeiten des Probanden hinweisen.
(3) Die Ermittlungshilfe berichtet auf der Grundlage fachlicher Diagnose und Anamnese über die Ursachen und Bedingungen der Straffälligkeit, insbesondere über die Arbeits- und Wohnsituation, den Lebensunterhalt, die Verschuldung, Suchtprobleme und soziale Beziehungen. Sie macht Vorschläge zu Rechtsfolgen, zur Strafzumessung und zu resozialisierenden Hilfen. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Opferberichterstattung.
(4) Die mit der Ermittlungshilfe betraute Fachkraft soll mit Einverständnis des Probanden unmittelbar notwendige Hilfen einleiten.
§ 7: Jugendhilfe im Strafverfahren
(1) Jugendhilfe im Strafverfahren ist auf der Grundlage von §§ 52 SGB VIII, 38, 72a und 72b JGG zu leisten.
(2) Bei den Hilfen nach § 5 für jugendliche oder heranwachsende Probanden ist die Jugendhilfe im Strafverfahren möglichst frühzeitig heranzuziehen.
§ 8: Frühhilfe
(1) Frühhilfe ist im Ermittlungsverfahren zu leisten, wenn eine besondere soziale Notlage des Probanden eine sofortige Hilfe erfordert und andere Hilfen nicht eingreifen.
(2) Frühhilfe wird nur auf Antrag des Probanden geleistet. Über diese Möglichkeit ist jeder Proband frühzeitig zu informieren, insbesondere bei einer Festnahme.
§ 9: Haftentscheidungshilfe
(1) Ziel der Haftentscheidungshilfe ist es, durch die Ermittlung der notwendigen Informationen die Prüfung zu unterstützen, ob der Zweck der Sicherung des Strafverfahrens und der Vollstreckung auch ohne Untersuchungshaft erreicht werden kann.
(2) Die Haftentscheidungshilfe ermittelt in Bezug auf die Haftgründe die für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls bzw. für die entsprechende gerichtliche Entscheidung notwendigen Informationen zur sozialen Lage des Probanden entsprechend § 6 Abs. 3.
(3) Die Haftentscheidungshilfe wird rechtzeitig vor dem Erlass eines Haftbefehls und der gerichtlichen Anhörung informiert und bekommt Gelegenheit, mit dem Probanden zu sprechen. Der Proband ist frühzeitig über die Möglichkeit einer Haftentscheidungshilfe zu informieren.
(4) Soweit bereits eine Inhaftierung erfolgt ist, ermittelt die Haftentscheidungshilfe Informationen, ob eine Verkürzung der Haft entsprechend Abs. 1 geprüft werden kann. Zu diesem Zweck haben die Fachkräfte der Haftentscheidungshilfe das Recht des ungehinderten Zugangs zum Probanden.
(5) Die Regelungen von Abs. 1 bis Abs. 4 gelten auch für die einstweilige bzw. vorläufige Unterbringung.
§ 10: Täter-Opfer-Ausgleich
(1) Auf der Grundlage von § 155a StPO und § 46a StGB sind in jedem Stadium des Verfahrens die Möglichkeiten zu prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem zu erreichen. Für den Anwendungsbereich des JGG sind die §§ 10, 15, 23, 45, 47 JGG zu beachten.
(2) Mit dem Täter-Opfer-Ausgleich soll zwischen Beschuldigtem und Verletztem eine einvernehmliche Regelung erreicht werden, in der beide Seiten ihre Anliegen berücksichtigt sehen. Die Konfliktfolgen und Folgekonflikte sollen so reduziert werden.
(3) Voraussetzung eines Ausgleichs ist die Übernahme von Verantwortung durch den Täter. Eine erneute Beeinträchtigung des Verletzten ist zu vermeiden.
(4) Die Mitwirkung am Ausgleichsverfahren ist für den Beschuldigten und den Verletzten freiwillig und kann in jeder Phase des Verfahrens beendet werden. Auf die Freiwilligkeit ist bereits bei der Kontaktaufnahme hinzuweisen.
(5) Der Täter-Opfer-Ausgleich ist mit der Erfüllung der vereinbarten Regelungen abgeschlossen.
(6) Die Fachkräfte müssen im Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren über besondere Fachkenntnisse im Straf- und Zivilrecht, in der Kriminologie, Viktimologie, Konfliktregulierung und in der Gesprächsführung verfügen. Sie haben zusätzlich eine mindestens einjährige berufsbegleitende Fortbildung in Mediation in Strafsachen mit Praxisanteilen abgeschlossen und sind zu regelmäßiger Weiterbildung verpflichtet.
§ 11: Hilfe bei der Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit
(1) Hilfe bei der Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit erfolgt auf der Grundlage von Art. 293 EGStGB, § 43 StGB und der entsprechenden Rechtsverordnung des Landes.
(2) Neben der Vermittlung freier Arbeit findet auch eine Betreuung durch die zuständige Fachkraft statt, um notwendige soziale Hilfen einzuleiten und Rückfallrisiken für erneute Straftaten zu reduzieren.
§ 12: Bewährungshilfe
(1) Bewährungshilfe ist auf der Grundlage der §§ 56 ff StGB bzw. § 24 ff JGG zu leisten.
(2) Die Bewährungshilfe nimmt unmittelbar, spätestens innerhalb einer Woche nach der Entscheidung der Strafaussetzung zur Bewährung mit Unterstellung unter Bewährungsaufsicht Kontakt zum Probanden auf.
(3) Die Bewährungshilfe wirkt bei erneuter Inhaftierung des Probanden an der Erstellung des Vollzugs- und Eingliederungsplans und beim Übergangsmanagement mit.
(4) Bewährungshilfe kann auch durch ehrenamtliche Bewährungshelfer geleistet werden. Der Anspruch des Probanden auf professionelle Hilfe einer Fachkraft entfällt dadurch nicht.
§ 13: Führungsaufsicht
(1) Die Wahrnehmung der Aufgaben der Führungsaufsicht erfolgt auf der Grundlage der §§ 68 – 68g StGB und 7 JGG.
(2) Erfolgt durch das Gericht eine Therapieweisung steht im Einvernehmen mit dem Probanden auch die Forensische Ambulanz diesem helfend und betreuend zur Seite.
(3) Spätestens 6 Monate vor dem tatsächlichen Strafende ist unter Anhörung des Probanden zu klären, ob gem. § 68 f Abs. 2 StGB die Maßregel entfallen kann.
§ 14: Hilfe zur Entlassung bei Freiheitsentzug
(1) Hilfe zur Entlassung aus freiheitsentziehenden Maßnahmen erfolgt auf der Grundlage der geltenden vollzugs- und sozialrechtlichen Regelungen.
(2) Hilfe zur Entlassung fördert die Resozialisierung durch Unterstützung des Probanden bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten.
(3) Der Proband ist frühzeitig über die Möglichkeit der Hilfe zur Entlassung zu informieren. Die Fachkräfte der Hilfe zur Entlassung haben bei Inhaftierung das Recht des ungehinderten Zugangs zum Probanden.
§ 15: Hilfe nach Entlassung aus Freiheitsentzug
(1) Die Probanden haben nach der Entlassung aus dem Freiheitsentzug Anspruch darauf, Hilfen entsprechend ihrem Bedarf zur Erreichung des Ziels der Resozialisierung zu erhalten.
(2) Die Leistungen umfassen alle Maßnahmen, die notwendig sind, das Ziel der Resozialisierung zu erreichen. Dies sind insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Probanden und ihre Angehörigen, Hilfen zur Existenzsicherung, zur Ausbildung, zur Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes, zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung, zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, zur Schuldenregulierung, zur Integration in das soziale Umfeld.
§ 16: Hilfe im Vollstreckungsverfahren
(1) Hilfe im Vollstreckungsverfahren findet auf der Grundlage von § 463 d StPO statt.
(2) Zur Vorbereitung der nach den §§ 453 bis 461 StPO zu treffenden Entscheidungen berichtet die Hilfe im Vollstreckungsverfahren auf der Grundlage fachlicher Anamnese und Diagnose insbesondere über die Arbeits- und Wohnsituation, den Lebensunterhalt, die Verschuldung, Suchtprobleme und soziale Beziehungen des Probanden. Sie macht Vorschläge insbesondere zu einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder über die Aussetzung des Strafrestes.
§ 17: Hilfe zur Vorbereitung von Gnadenentscheidungen
(1) Hilfe zur Vorbereitung von Gnadenentscheidungen findet statt auf der Grundlage von Art. 60 Abs. 2 GG, § 23 EGGVG und der Gnadenordnung des Landes statt.
(2) Ziel der Hilfe zur Vorbereitung von Gnadenentscheidungen ist es, durch die Ermittlung der notwendigen Informationen die Prüfung zu unterstützen, ob besondere Anhaltspunkte, die erst nachträglich bekannt geworden oder eingetreten sind, einen Gnadenerweis angezeigt erscheinen lassen.
§ 18: Hilfe für Angehörige
(1) Hilfe für Angehörige von Probanden angeboten, wenn sie in Zusammenhang mit der Straffälligkeit des Probanden Beratungs- und Unterstützungsbedarf haben.
(2) Im Hilfeplan nach § 25 und im Eingliederungsplan nach § 26 sind Hilfeleistungen zur Pflege der familiären Beziehungen vorzusehen.
(3) Während einer Inhaftierung sollen Kontakte des Probanden zu seinen Angehörigen durch Langzeitbesuche oder gemeinsame Teilnahme an Bildungsveranstaltungen und Familienseminaren gefördert werden.
Dritter Abschnitt: Gestaltungsgrundsätze
§ 19 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(1) Hilfen nach diesem Gesetz sind nur dann anzubieten, wenn mit ihnen das Ziel der Resozialisierung der Probanden und die Verhütung von Straftaten durch nicht-freiheits-entziehende Maßnahmen erreicht werden kann.
(2) Die Hilfen müssen zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sein.
(3) Die Hilfen müssen in Abwägung mit den mit ihnen verbundenen Eingriffen in die Grundrechte der Probanden angemessen sein.
§ 20 Durchgehende soziale Hilfe
(1) Bei der Durchführung einer Hilfe nach § 5 soll ein Wechsel in der Person der Fachkraft vermieden werden. Dem Vorschlag des Probanden, eine bestimmte Fachkraft mit der Hilfeleistung zu beauftragen, soll entsprochen werden, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen.
(2) Kommen für den Probanden mehrere Hilfen nach § 5 in Betracht, soll die Fachkraft, die bereits eine Hilfe leistet, auch die weiteren Hilfen leisten, wenn sie dazu bereit ist und der Proband einwilligt.
§ 21 Wiedergutmachung
(1) Die Hilfen nach diesem Gesetz sollen die Probanden anregen, aktiv an der Beseitigung oder Abmilderung der Folgen der Straftat mitzuwirken.
(2) Im Übrigen gelten die Grundsätze des § 10.
§ 22 Ehrenamtliche Mitarbeit
(1) An den Hilfen nach § 5 sollen Bürger als ehrenamtliche Mitarbeiter beteiligt werden.
(2) Voraussetzung der Beteiligung ist, daß der betroffene Proband zustimmt.
(3) Ehrenamtliche Mitarbeiter sollen auf ihre Aufgaben vorbereitet und fortgebildet werden. Ihnen ist Gelegenheit zum fachlichen Austausch zu geben. Sie können für ihre Aufgabe besonders verpflichtet werden. Kosten sind angemessen zu erstatten.
(4) Auch ehemalige Probanden können als ehrenamtliche Mitarbeiter beteiligt werden.
§ 23 Mitwirkung der Gesellschaft
(1) Resozialisierung erfordert eine nachhaltige Mitwirkung der Gesellschaft.
(2) Gesellschaftliche Gruppen wie Verbände, Kirchen und Religionsgesellschaften, Vereinigungen der Freien Wohlfahrtspflege und der öffentlichen und freien Träger der Straffälligenhilfe sind aufgefordert, sich mit der Zielsetzung des § 2 besonders zu engagieren.
Vierter Abschnitt: Durchführung der Hilfen
§ 24 Integrierte Resozialisierung
(1) Integrierte Resozialisierung bezeichnet ein Konzept der Schaffung von Netzwerken, in denen an einem Ort oder in einer Region die Leistungserbringer der ambulanten und stationären Resozialisierung auf der Grundlage von Hilfeplänen und Leistungsvereinbarungen wirkungsorientiert zusammenarbeiten.
(2) Die Integration der Leistungserbringung erfolgt organisatorisch durch den Aufbau geeigneter Strukturen wie Verbundsysteme und Servicestellen im System der Resozialisierung.
(3) Die Erbringung der Leistungen soll bruchlos und in Überwindung von Sektorgrenzen und Kommunikationsbarrieren erfolgen.
(4) In den Abläufen der Leistungserbringung ist ein Schnittstellen- und Übergangs-management sicherzustellen.
§ 25 Hilfeplan
(1) Spätestens vier Wochen nach dem Erstkontakt zu einer Fachkraft einer der hilfeleistenden Organisationen wird in einer interdisziplinären Hilfekonferenz der im Rahmen der Komplexleistung tätigen Leistungserbringer ein gemeinsamer Hilfeplan erstellt.
(2) Der Hilfeplan wird regelmäßig alle vier Monate auf seine Umsetzung überprüft, mit dem Probanden erörtert und fortgeschrieben. Bei der Fortschreibung sind die Entwicklung des Probanden und in der Zwischenzeit gewonnene Erkenntnisse zu berücksichtigen.
(3) Der Hilfeplan und seine Fortschreibungen enthalten insbesondere folgende Angaben:
1. die dem Hilfeplan zugrunde liegenden Annahmen zu Ursachen und Umständen der Straftaten
2. der festgestellte Hilfebedarf des Probanden
3. die Erläuterung der Ziele, Inhalte und Methoden der geplanten Hilfeleistungen
4. Vereinbarungen zur Wiedergutmachung
5. Pflege der familiären Beziehungen
6. Regelungen zum Übergangsmanagement
7. Teilnahme an Gruppen- und Freizeitangeboten.
(4) Im Hilfeplan werden die Teilleistungen der an der Komplexleistung mitwirkenden Organisationen festgeschrieben und die Funktion und die Person des koordinierenden Fallmanagers festgelegt.
(5) Der Hilfeplan und seine Fortschreibungen werden dem Probanden ausgehändigt. Auf Verlangen werden sie den Personensorgeberechtigten mitgeteilt.
§ 26 Übergangsmanagement, Eingliederungsplan
(1) Die für die Freiheitsentziehung zuständigen Organisationen und die für die Resozialisierung der entlassenen Gefangenen zuständigen Leistungserbringer arbeiten insbesondere im Übergang zur Freiheit eng zusammen (Übergangsmanagement). Sie erstellen frühzeitig, spätestens sechs Monate vor der voraussichtlichen Entlassung, einen gemeinsamen Eingliederungsplan und legen die Funktion und die Person des koordinierenden Fallmanagers fest.
(2) Der Eingliederungsplan enthält neben den Angaben des Hilfeplans nach § 25 Abs. 3 Informationen zu den im Vollzug umgesetzten Erziehungs- oder Behandlungsmaßnahmen und ihrer voraussichtlichen Wirksamkeit und zu dem zu erwartenden Hilfebedarf nach der Entlassung – insbesondere zur Sicherstellung von Lebensunterhalt, Wohnung und Arbeit oder Ausbildung.
(3) Nach der Entlassung werden Eingliederungsplan und Hilfeplan integriert, § 25 gilt entsprechend.
(4) Einmal jährlich erörtern die im Übergangsmanagement zusammenwirkenden Organisationen im Rahmen einer interdisziplinären Hilfekonferenz die einzelfallübergreifenden Erfahrungen und treffen Vereinbarungen zur kontinuierlichen Verbesserung.
§ 27 Beendigung der Hilfe
Ist eine Hilfe nicht mehr erforderlich, so ist sie alsbald zu beenden. Ist die Hilfe gerichtlich angeordnet, ist ihre Beendigung anzuregen.
§ 28 Nachgehende Hilfe, Krisenintervention
Nach Beendigung einer Hilfe können einzelne Leistungen fortgesetzt, wieder aufgenommen oder ergänzt werden, wenn eine nachgehende Hilfe oder eine Krisenintervention dringend geboten ist und der frühere Proband sie beantragt.
§ 29 Dokumentation und Evaluation
(1) Die Erstellung der Hilfepläne und der Eingliederungspläne, ihre Fortschreibungen, ihre Umsetzung und Wirkungen bezogen auf die weitere Entwicklung der Probanden sind fortlaufend zu dokumentieren.
(2) Darüber hinaus finden regelmäßige Evaluationen statt, die Grundlage zur kontinuierlichen Verbesserung des fachlichen Handelns der Fachkräfte und des regionalen Hilfesystems sind.
§ 30 Gesamtplanung
Die Aufgaben der Resozialisierung sind zwischen den Sozialen Diensten der Justiz, den öffentlichen Trägern der Jugend- und Sozialhilfe, den Trägern der Freien Straffälligenhilfe und den weiteren Leistungserbringern im Rahmen einer gemeinsamen Gesamtplanung regional und überregional abzustimmen.
Fünfter Abschnitt: Träger, Organisation, Ausstattung
§ 31: Soziale Dienste der Justiz
(1) Die Aufgaben der Ermittlungshilfe, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, der Mitwirkung beim Übergangsmanagement, der Hilfe zur und nach Entlassung bei Freiheitsentzug, der Hilfe im Vollstreckungsverfahren und der Hilfe zur Vorbereitung von Gnadenentscheidungen werden für ihre Probanden durch die Sozialen Dienste der Justiz wahrgenommen (Pflichtaufgaben).
(2) An der Durchführung dieser Aufgaben können freie Träger der Jugend- und Erwachsenen-Straffälligenhilfe beteiligt werden oder ihnen kann für spezifische Zielgruppen die Durchführung dieser Aufgaben übertragen werden, wenn dies fachlich geboten ist, die freien Träger die fachlichen Voraussetzungen für die Aufgabenwahrnehmung erfüllen und sie mit der Beteiligung oder Übertragung einverstanden sind. Die entstehenden Kosten sind ihnen zu erstatten.
§ 32 Öffentliche Träger der Jugend- und Sozialhilfe
(1) Leistungen der Resozialisierung werden im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten auch von öffentlichen örtlichen und überörtlichen Trägern der Jugend- und Sozialhilfe erbracht.
(2) Die Hilfeleistungen dieser Träger haben Vorrang vor den Hilfen nach diesem Gesetz, sofern es sich nicht um Pflichtaufgaben der Sozialen Dienste der Justiz nach § 31 Abs. 1 handelt.
(3) Die öffentlichen Träger wirken bei der Durchführung der Hilfen entsprechend §§ 24 bis 30 mit.
§ 33 Freie Träger der Straffälligenhilfe
(1) Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, die nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches als freie Träger anerkannt sind, sind zugleich freie Träger der Straffälligenhilfe. Andere Verbände und Vereinigungen, die Straffälligenhilfe leisten, können als freie Träger der Straffälligenhilfe anerkannt werden.
(2) Die freien Träger der Straffälligenhilfe können Aufgaben der Frühhilfe, der Haftentscheidungshilfe, des Täter-Opfer-Ausgleichs, der Hilfe bei der Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit, der Hilfe zur und nach Entlassung bei Freiheitsentzug, der Mitwirkung beim Übergangsmanagement und der Hilfen für Angehörige wahrnehmen.
(3) Für die Wahrnehmung der Pflichtaufgaben der Sozialen Dienste der Justiz gilt § 31 Abs. 2.
(4) Die freien Träger der Straffälligenhilfe wirken bei der Durchführung der Hilfen entsprechend §§ 24 bis 30 mit.
(5) Die den freien Trägern entstehenden Kosten sind zu erstatten.
§ 34 Weitere Leistungserbringer
(1) An der Wahrnehmung der Aufgaben der Resozialisierung wirken weitere Leistungserbringer wie Jobcenter bzw. ARGEN, Organisationen der Schuldenregulierung, der Gesundheits- und Drogenhilfe, der Wohnraumversorgung, der Ausbildung, der Opferhilfe örtlich und überörtlich mit.
(2) Für ihre Mitwirkung gelten die §§ 24 bis 30 entsprechend.
§ 35: Landesamt Ambulante Resozialisierung
(1) Im Geschäftsbereich des Justizministeriums wird eine obere Landesbehörde mit der Bezeichnung „Landesamt Ambulante Resozialisierung“ aus folgenden Fachbereichen gebildet:
1. Soziale Dienste der Justiz,
2. Führungsaufsichtsstellen bei den Landgerichten,
3. Forensische Ambulanz.
(2) Das Landesamt nimmt die Aufgaben
1. der Sozialen Dienste der Justiz nach § 31
2. der Führungsaufsichtsstellen und deren Leitung
3. der Forensischen Ambulanz
wahr.
(3) Das Justizministerium überträgt dem Landesamt im Rahmen der jeweiligen Haushaltsansätze die Durchführung von Programmen zur Förderung der Freien Straffälligenhilfe (§ 34).
(4) Die Dienst- und Fachaufsicht über das Landesamt obliegt dem Justizministerium. Die Weisungsbefugnis des Gerichts nach § 56d Abs. 4 Satz 2 und nach § 68a Abs. 5 StGB bleibt unberührt.
§ 36 Regionale Resozialisierungszentren
(1) Zur Wahrnehmung der Aufgaben der regionalen ambulanten Resozialisierung entsprechend §§ 5 bis 18 werden in den kreisfreien Städten und Landkreisen Regionale Resozialisierungszentren eingerichtet.
(2) In ihnen arbeiten die Sozialen Dienste der Justiz, die Öffentliche und die Freie Straffälligenhilfe, die örtlichen Jobcenter bzw. ARGEN und die Entlassungskoordinatoren der JVAen einzelfallbezogen und einzelfallübergreifend zusammen. Weitere Leistungserbringer können mitwirken.
(3) In der Durchführung der Komplexleistung Rresozialisierung werden Steuerungs-instrumente wie Hilfeplanung, Fallmanagement, Übergangsmanagement, Eingliederungsplan, Dokumentation, Evaluation und Gesamtplanung eingesetzt.
(4) Die Regionalen Resozialisierungszentren können sich aller zulässigen Organisations-formen bedienen. Eine kooperative Leitung ist möglich.
§ 37 Ausstattung
(1) Das Land und die Kommunen und Landkreise haben eine personelle und sächliche Ausstattung insbesondere der Sozialen Dienste der Justiz, der kommunalen Dienste und der Freien Straffälligenhilfe so zu gewährleisten, dass diese ihre Aufgaben der Resozialisierung wirksam erfüllen können.
(2) Einem Bewährungshelfer dürfen regelmäßig nicht mehr als 30 Jugendliche oder 45 erwachsene Probanden zugeteilt werden. Eingruppierungen der Probanden in Fallgruppen sind entsprechend zu berücksichtigen.
(3) Die Träger und Leistungserbringer der Resozialisierung gewährleisten für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine angemessene interdisziplinäre Fortbildung ihrer Fachkräfte.
(4) Im Rahmen der örtlichen und überörtlichen Gesamtplanung nach § 30 sind auch Festlegungen zur Entwicklung des Gesamtsystems der ambulanten und stationären Resozialisierung und des Einsatzes von personellen und sächlichen Ressourcen zu treffen.
Sechster Abschnitt: Datenschutz
§ 38: Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Personenbezogene Daten dürfen nur erhoben und weiterverarbeitet werden, soweit
1. dies zur Wahrnehmung von Aufgaben nach § 5 erforderlich ist oder
2. der betroffene Proband eingewilligt hat.
(2) Für alle Träger, die Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnehmen oder an ihrer Wahr-nehmung beteiligt sind, ist sicherzustellen, dass der Schutz personenbezogener Daten in entsprechender Weise gewährleistet ist.
(3) Das Justizministerium regelt durch Verordnung das Nähere über die Erhebung und Weiterverarbeitung personenbezogener Daten.
Siebter Abschnitt: Rechtsbehelfe
§ 39: Anregungen und Gegenvorstellungen
(1) Der Proband kann sich in Angelegenheiten, die ihn betreffen, mit Anregungen und Gegenvorstellungen an den Leiter der jeweiligen hilfeleistenden Organisation wenden.
(2) Bei Jugendlichen steht dieses Recht auch dem gesetzlichen Vertreter oder dem Erziehungsberechtigten zu.
§ 40: Gerichtliche Entscheidung
(1) Gegen eine in diesem Gesetz vorgesehene Maßnahme der Sozialen Dienste der Justiz, der öffentlichen Träger der Jugend- und Sozialhilfe, der freien Träger der Straffälligenhilfe und der weiteren Leistungserbringer kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden.
(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Proband geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Achter Abschnitt: Landesbeirat, Resozialisierungsfonds, Kriminologische Forschung
§ 41 Landesbeirat
(1) Beim Ministerium für Justiz ist ein Landesbeirat zur Fortentwicklung der ambulanten und stationären Resozialisierung zu bilden. Mitglieder sind u.a. Vertreter von Staats-anwaltschaften und Gerichten, der Sozialen Dienste der Justiz, der Öffentlichen Träger der Jugend- und Sozialhilfe, der Freien Straffälligenhilfe, weiterer Leistungserbringer und der Wissenschaft.
(2) Aufgaben des Landesbeirats sind die begleitende Analyse des örtlichen und überörtlichen Gesamtsystems der ambulanten und stationären Resozialisierung und die Entwicklung von Vorschlägen zur Fortentwicklung sowie zur Öffentlichkeitsarbeit.
(3) Der Landesbeirat veröffentlicht einen jährlichen Bericht.
§ 42 Resozialisierungsfonds
(1) Ein beim Justizministerium angesiedelter Resozialisierungsfonds ermöglicht für geeignete Probanden einen Neuanfang in wirtschaftlich geordnete Verhältnisse. Er gewährt zinslose Darlehen, die dazu verwendet werden, die Schulden der Probanden abzulösen.
(2) Durch den Fonds soll Rückfallkriminalität aus wirtschaftlicher Not verhindert und ein Beitrag zur Wiedergutmachung geleistet werden. Zugleich werden Mittel für zinslose Darlehen zur Verfügung gestellt, um eine reibungslose Opferentschädigung zu ermöglichen.
(3) Das Nähere regelt eine Landesverordnung.
§ 43 Kriminologische Forschung
(1) Die Wirksamkeit der ambulanten Resozialisierung ist kontinuierlich und dauerhaft zu überprüfen. Ergebnisse sind für die Fortentwicklung des Gesamtsystems der ambulanten und stationären Resozialisierung aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen.
(2) Mit Forschungsprojekten können der Kriminologischen Dienst des Justizministeriums oder Hochschulen oder Fachinstitute beauftragt werden.
Achter Abschnitt: Schlußvorschriften
§§ 44 ff ……..